Das „Südwest-Afrika-Denkmal“ ist ein Kriegsdenkmal zu Ehren von verstorbenen deutschen Soldaten im Genozid gegen Herero und Nama (1904-1908). Es gehört, sowie z.B. der Bismarckturm, zu den Orten, die unreflektiert und verherrlichend an Göttingens koloniale Vergangenheit erinnern.
Die Stadt Göttingen weigert sich, trotz jahrelanger Proteste gegen das Monument, sich kritisch mit diesem auseinanderzusetzen, es umzudeuten oder abzureißen. Wir setzen uns klar für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Denkmal ein, es sollte keine Orte geben, welche positiv an die koloniale Vergangenheit erinnern und diese verherrlichen.
“Aber ein solches Denkmal, wie es hier noch in Göttingen steht… Für mich war das schockierend, damit habe ich nicht gerechnet. Und das muss entweder weg, total weg oder man muss zum Beispiel Stadttouren organisieren, um zu sagen: unsere Stadt war auch beteiligt am Völkermord an den Herero und Nama.” – Israel Kaunatjike
An der Ecke Geismar Landstraße/Friedländer Weg steht versteckt hinter Büschen das Südwestafrika-Denkmal. Es wurde 1910 von Mitgliedern des 2. Kurhessischen Infanterie Regiments Nr. 82 in Auftrag gegeben und gedenkt vier im Völkermord an OvaHerero und Nama gefallenen deutschen Soldaten. Das Regiment Nr. 82 entsendete von 1904-1908 insgesamt 42 Freiwillige aus Göttingen in die damalige Kolonie “Deutsch-Südwestafrika”, die sich auf dem Gebiet des ehemaligen Namibias befand, in einen Krieg, der heute als Völkermord gilt.
Schätzungsweise wurden damals zwischen 60.000 und 80.000 OvaHerero und Nama ermordet. Die Auswirkungen des Völkermords und der deutschen Kolonialherrschaft sind bis heute zu spüren. OvaHerero und Nama kämpfen weiterhin um Anerkennung, Entschuldigungen und Reparationen. Erst 2021 wurden die Kolonialverbrechen der deutschen “Schutztruppe” von der Bundesrepublik als solche anerkannt. Zwischen 2015 und 2021 verhandelten die namibische und deutsche Regierung über den Umgang mit ihrer kolonialen Vergangenheit, wobei man sich auf die Summe von 1.1 Milliarden Euro, die in den nächsten 30 Jahren vor allem für sogenannte Entwicklungsprojekte ausgeben werden soll, einigte. Offizielle Vertreter*innen von OvaHerero und Nama wurden nicht in die Verhandlungen mit einbezogen. Sie fordern bis heute unter anderem die Rückgabe des Landes, das bis zu 70% weiterhin in Besitz von Nachfahr*innen deutscher Kolonialisten ist.
Warum steht also bis heute in Göttingen ein Denkmal, das die Täter des Völkermords ehrt?
Proteste gegen das Denkmal gibt es schon seit den 1970ern. 1978 entfernte eine Gruppe des Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) den auf einer Weltkugel sitzenden Bronzeadler. Der Adlerkopf wurde am 01. Mai 1978 versteigert und das Geld wurde an die simbabwische Befreiungsbewegung ZANU übertragen. Im Jahr 2000 wurde der Kopf vom Historiker Dr. Joachim Zeller aufgespürt und an eine studentische Gruppe an der Universität in Windhoek übergeben.
Die Stadt Göttingen stellte nach weiteren Protesten aus der Zivilgesellschaft 2007 eine Ergänzungstafel auf, die nur kurz auf die Verbrechen eingeht.
Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder Protestaktionen, wie die Verhüllung des Denkmals 2020 mit dem Statement: “Rassismus abreißen, Göttingen dekolonialisieren!” oder Graffitis, die die zum Schutz der Gedenktafel angebrachte Plexiglasscheibe, bedecken. Außerdem richteten sich OvaHerero Aktivisten wie Israel Kaunatjike und Dr. Ngondi Kamaṱuka an die Stadt Göttingen mit der Bitte um gemeinsame Aufklärung und Veränderung des Denkmals.
Der Stadt Göttingen ist sich der Problematik durchaus bewusst. So stellte die Kulturverwaltung im November 2022 ein Konzept zur Erinnerungskultur in Göttingen vor, wobei Kolonialismus und die Beteiligung des 82. Regiments wie auch das Südwestafrika-Denkmal ganz oben auf der Liste der Aufarbeitung stehen. Ob dieses Konzept wirklich umgesetzt und finanziert wird, hängt vom politischen Willen des Stadtrates ab. Die letzten Monate hat sich nichts geändert und es ist kein Umsetzungswille des Konzeptes von der Stadtpolitik aus wahrzunehmen.
“Thank you for taking me to this monument. Ahough it is hidden, I don’t know how many people can see the monument. There’s so many brush, you know, around it, that I don’t think anyone can see it. But the point is what is written on it… It honours the soldiers from Germany, who went to Namibia and who killed our people. There’s no mention of the victims. Now, if you want to talk about healing. Between all of us. I think that we acknowledge the crime that was committed, and you cannot apologise for anything unless you truly, truly show remorse that I’m remorseful. I have done wrong. I’m asking for forgiveness. I come to you and ask for forgiveness. You don’t come to me as a perpetrator of the crime and tell me what fashion that apology has to take. That’s unacceptable.” – Dr. Ngondi Kamaṱuka
Links für weitere Infos zum Denkmal:
Die Stadt Göttingen im Kolonialismus – Webseite des Lehrstuhls Geschichte der Universität Göttingen
Kolonialkriegerdenkmal Göttingen – Aufarbeitung von Freiburg Postkolonial
